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INS LAND HINTER DEM VORHANG

Schmerzhaft brennen die Wunden, nur der Hass neuen Brand schon entfacht,

denn wir haben empfunden: Bittres Leid hat der Krieg uns gebracht.“

Ja, schmerzhaft brannten die Wunden denjenigen, die vor 77 Jahren dieses eigens für die 1. Weltfestspiele in Prag komponierte Lied sangen. Es war eine Generation, die soeben die Kriegstüchtigkeit hinter sich gelassen hatte und mit alten und jungen Überlebenden einig war: 

Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg

Komm doch mal mit, wenn Dir das Lied noch im Ohr klingt, Du alter und noch jung fühlender FDJler, komm mit, wenn Dir der Text der „Hymne der demokratischen Weltjugend“ unbekannt ist. Lass ihn dir von den Alten vorsingen oder pfeifen oder brummen. Und dann komm mit auf eine Reise, deren Ziel noch vor wenigen Jahren nicht als fast undurchführbar, verrückt, bestenfalls exotisch, gar mutig, heutzutage aber als verdächtig, politisch abartig, ja sogar hassenswert betrachtet wird. Das musst Du aushalten und auch den Weg mit Bahn und Bus oder Pkw nach Kaliningrad (Königsberg, wie die Alten sungen). Mit dem Auto nahmen Andreas und Klaus die Route unter die Räder. Kamen aber nicht unter dieselben, sondern pünktlich an.

Elena, Lothar und Wolfgang vereinten sich mit ihnen und von dort mit dem Flugzeug über Moskau ins Ziel. Dann hast Du mit Aeroflot 2500 Kilometer von der Ostsee bis nach Südrussland zurückgelegt und landest in Wolgograd. Wenn es um den 9. Mai passiert, landest Du allerdings in Stalingrad. Wieso? Das klären wir gleich. 

Erstmal Bodenhaftung

Nein, keine Ver-Haftung, wie sie es uns dort, wo wir jetzt nicht sind, im Stundentakt erzählen. Du stehst jetzt mit

beiden Beinen auf dem Boden der Tatsachen. In Stalingrad am Flughafen. Dieser Ortsteil heißt Gumrak und er war auch schon 1943 ein Flughafen, ein Fluchthafen, der letzte, von dem kleine Teile der deutschen Invasionsarmee sich nach ihrem Angriffskrieg zu retten versuchten. Sie hingen an den Tragflächen, rannten sinnlos den Motorengeräuschen der Maschinen hinterher. Die meisten aber lagen in ihren Verbänden im eisigen Frost bei Gumrak und kamen elendiglich um. 

Und weil Du am 7. Mai 2024, zwei Tage vor dem höchsten Feiertag in der Russischen Föderation, dem Tag des Sieges über die faschistischen Angriffskrieger, die die Vernichtung der „jüdisch/bolschewistischen“ Gesellschaftsordnung zum erklärten Ziel hatten, ist es zum Gedenken daran Tradition, in dieser Zeit der Stadt ihren damaligen Namen ins Gedächtnis zu rufen und, ja, auch an denjenigen zu erinnern, der bei aller widersprüchlichen Beurteilung seiner Person damals den Befehl erließ „Keinen Schritt zurück“. Der Name dieser Stadt ging um die Welt als „Zeitenwende“, seit der sich die Marschrichtung der von großmäuligen Figuren befohlenen deutschen Militärpersonen um 180 Grad änderte. 

Und während Du durch eine moderne, saubere Stadt fährst, bist Du im Hotel „Jushny“ angelangt, machst Dich mit der Haustechnik, einschließlich der Sanitäreinrichtung, vertraut. Das ist vorderhand nicht ganz einfach, weil Du aus einem Land kommst, in dem Digitalisierung oft noch bestaunt wird; auch wenn Dich in Deinem Zimmer der große Bildschirm namentlich begrüßt.

Und die offene Freundlichkeit der Menschen inner- und außerhalb des Hotels, da sei vorweggenommen, um es nicht dauernd wiederholen zu müssen, erstaunt nur denjenigen, der Russland bisher nur durch die Medien konsumierte, welche innerhalb eines reichlichen Jahrhunderts Russland zwei Mal zum Popanz einer Bedrohung der westlichen Welt aufbliesen und damit Millionen Menschen in den Tod trieben. 

Kalmücken und Deutsche: 

Nachbarn an der Wolga

Das hättest Du, mein, mein fiktiver Begleiter und erstmals hierher reisender Deutscher, wohl nicht gedacht, dass wir in den Morgenstunden des ersten Tages uns zu einem ungewöhnlichen Ziel im Süden der Stadt aufmachen. Wir tun’s aber und begeben uns zur evangelischen Christenheit. In die Herrnhuter Brüdergemeine, gelegen seit Mitte des 18. Jahrhunderts am Ufer der Wolga, wohin seinerzeit Zarin Katharina II deutsche Siedler einlud. Vermutlich könnte auch ein Motiv gewesen sein, die dort siedelnden Kalmücken, ein Reitervolk aus Kasachstans Steppen, ein wenig in den Griff zu bekommen und über sie den christlichen Glauben auszuschütten. Die Herrnhuter haben dort eine ihrer typischen Kirchlein erbaut und in friedlicher Koexistenz mit den Reitern die Gaben der Natur, darunter auch der Medizin, zu nutzen gelernt. Heute sprechen das stille Mineralwasser mit seiner Heilkraft und der berühmte, in ganz Russland bekannte Senf von diesem Zusammenleben zum gemeinsamen Nutzen, was auch bedeutet, dass sich die Kalmücken einer Missionierung freundlich widersetzten und den Siedlern die (Heil)Kräuter ihrer Heimat nahebrachten.

Wir tun’s aber und begeben uns zur evangelischen Christenheit. 

In die Herrnhuter Brüdergemeine, gelegen seit Mitte des 18. Jahrhunderts am Ufer der Wolga, wohin seinerzeit Zarin Katharina II deutsche Siedler einlud. Wir setzen uns im Anfang der 90er Jahre restaurierten „Kirchlein“ (so nennen es die Einheimischen in ihrer konservierten deutsche Sprache) um die 2005 aus Deutschland herbeigeholte und wieder eingebaute Orgel, nachdem die ursprüngliche die Konflikte der 30er Jahre nicht überstanden hatte.

Raissa, die in Cottbus mit Hilfe des damaligen Kirchenmusikdirektors von einer Pianistin zur Organistin weiter wuchs, hat eine große Zahl vor allem Kinder und Jugendliche, an die Musik und auch an das in Russland kaum bekannte Instrument einer Orgel herangeführt und ist die gute Seele eines lebendigen Chor- und Instrumentallebens, das schon gesamtrussische Orgelfestspiele gesehen hat. 

Larissa wird nicht müde, das Engagement derer zu loben, die das Instrument im Jahre 2005 von der Spree an die Wolga kutschierten. Erinnerungen werden wach und damit der Wunsch, dass sich Menschen kulturvoll und damit in Frieden begegnen und schätzen lernen.

Die Stunden vergehen zu schnell und die Erinnerungen werden nicht alle, aber es wartet schon ein Abstecher zum Zusammenfluss von Wolga und Wolga-Don-Kanal auf uns, damit wir den gigantisch großen Lenin bewundern, der die Wasserflächen beaufsichtigt und vielleicht manchmal daran denkt, dass er aus dem zermahlenen Beton eines Georgiers entstand, der den seit 1953 gehabten Aufsichtsposten über Land, Wasser und Menschen abgeben musste und der den faschistischen Invasoren einige Kilometer nördlich den Zugang zur Stadt seines Namens verwehrte. 

Nicht jeder Ruhm trägt das Gen der Unvergänglichkeit in sich.

Für einige Gedanken darüber bleibt Dir jetzt etwas Zeit. Auch Zeit zum Umspulen auf das kommende Ereignis am späten Nachmittag, das vom Kirchenort Sarepta einen Orts- und Zeitwechsel erfordert und physisch in die heutige weltumspannende Wirklichkeit führt. 

Acht Nationen: Nachbarn an einem Tisch

An einem halbrunden Tisch vor zwei großen Bildschirmen sitzen sie, die zum Thema „Die Mehrheit der Welt baut eine multipolare Welt“ im Konferenzraum der Staatlichen Wolgograder Sozialpädagogischen Universität versammelt sind. Im Hintergrund Fachleute für die internationale Politik der Universität und Gäste, darunter unser Halbdutzend. Am Tisch je ein Vertreter aus Marokko, Tschechien, Belarus, Kirgisien und Wolfgang. Aus Jordanien und Großbritannien sind zwei Bildschirmgäste zugeschaltet, darunter, welch Wunder, eine Frau. Die Beiträge sind sehr vielfältig, sie berühren sowohl spezifische Landesprobleme als auch das internationale Engagement für Frieden in der Welt, demzufolge die Mächte, die dieses Ziel kräftig stören. Ein Dialog zwischen den Partnern am Tisch kann sich bei der globalen Vielfalt nicht entwickeln, doch er öffnet die Augen und Ohren dafür und bereichert jedenfalls das Verständnis für weltumspannende Fragen, die ein deutscher Konsument zahlreicher, aber schließlich doch begrenzter Themen in deutschen Gleichstrom-Talks vergeblich sucht.

Für dich als unser stiller Begleiter war das ein ausgefüllter Tag mit vielen, vielleicht sogar unglaublichen, Eindrücken. Der Abend auf der Hotelterrasse mit Speis und Trank, darunter mit frisch gezapftem Bier bot Ruhe und Gelegenheit, die Eindrücke dieses 8. Mai zu verarbeiten. Es ist der Vorabend zum Tag des Sieges über den deutschen Faschismus, und wir werden ihn an einem historischen Ort begehen, an dem eine Wende im Krieg gegen die Invasoren im Vernichtungskrieg gelang. Unweit des Fest- und Paradeplatzes befindet sich im Keller des ehemaligen Kaufhauses die letzte Höhle, in der Paulus und sein Stab macht- und kraftlos die Kapitulation der 6. Armee unterzeichnete.

Russische Großherzigkeit

 „Stalingrad“ stand und steht in der Welt als Synonym für die Besiegbarkeit der Faschisten, die dem Land einen Vernichtungskrieg aufgezwungen hatten und von dem keine Familie im Völkerbund der Union verschont blieb.

Wir halbdutzend Deutsche gehen in diesen Tag hinein, eingebettet auf dem Bürgersteig in Alte und Junge, mit Blumen und Friedensplakaten, festlich gewandet, wozu bei den Jungen die Pionierkleidung gehört, manche tragen ein Käppi der Soldaten der Roten Armee. 

Festlich, feierlich, fröhlich ungezwungen, wozu auch das Georgskreuz der Sieger und Applikationen an die Kleidung der Großväter-Kriegsgeneration gehören.

Unser Vereinsabzeichen wird auffallend oft genauer, ja neugierig betrachtet und löst freundliche Blicke aus. „Solche Deutsche“ sind zwar von früheren Jahren bekannt, aber schon lange nicht gesehen worden, während irritierende Töne aus ihrem Land immer häufiger zu hören sind….

Schließlich erreichen wir den Platz der Gefallenen Kämpfer, an dessen einer Seite vor wenigen Jahren eine russisch-orthodoxe Kathedrale erbaut wurde und aus der jetzt auch dessen „Chef“ in vollem Ornat herauskommt und Kurs auf die Ehrentribüne nimmt. Er geht ohne Aufsehen zu erregen seinen Weg, grüßt hier und da mit einem würdevollen Nicken die Anwesenden. 

Ist denn kein Westreporter da, der daraus ein Politikum machen könnte? Aber nein, die Gesellschaft geht unberührt hier wie woanders im Land ihren Weg und entferntes Kläffen wird souverän überhört.

Jetzt ertönt der 10-Uhr-Glockenschlag des Moskauer Spasski-Turmes. 

Die Eröffnungsrede des Gouverneurs ist angemessen kurz. Die Rede berührt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft von Land und Region. Die Nähe Südrusslands zur Ukraine ist gegenwärtig. Kein Pathos.

Die Schweigeminute, in der ein Metronom die Sekunden herunterzählt, erinnert an die Kriegszeit, in der damit im Rundfunk die Luftlage während der deutschen Besetzung signalisiert wurde und wird bei Vielen die gegenwärtige Tragik in manchen Familien auch dieser Stadt aufscheinen lassen.

Überhaupt, das sei hier eingeflochten, wird dieses Thema in der Bevölkerung mit Ernst und Traurigkeit über diesen Konflikt behandelt, denn es sind zwei Brudervölker, die sich in diesem Waffengang begegnen. Da ist für Hass und Hetze gegen die engen Verwandten kein Platz.

Gruß nach Deutschland.

Wie begeht diese Stadt dieses Ereignis, den höchsten staatlichen Feiertag? Mit einer Parade natürlich, an der die bewaffneten Kräfte des Militärbezirks mit Fußtruppen und auch Abordnungen des öffentlichen Lebens teilnehmen, zu denen auch auffallend weibliche Formationen gehören, beispielsweise ein Chor der Polizeischülerinnen.

Die Eröffnungsrede des Gouverneurs ist angemessen kurz. 

Die „Waffenschau“ ebenso. Eröffnet, wie könnte es anders sein, vom legendären „Tank 34“. Es ist kein bedrohliches Bild, das der Militärbezirk aussendet.

Für uns halbes Dutzend deutscher Gäste ist aufschlussreich, was wir außerdem am 8. Und 9. Mai bei unseren Spaziergängen in der Stadt erlebten:

Wir ruhen uns am 9. Mai im Zentrum Wolgograds ein wenig aus. Eine Gruppe der Polizeischülerinnen aus der Parade schlendert vorbei, nimmt uns wahr und einige der durchaus schicken Mädchen kommen auf uns zu und…überreichen uns Rosen! Die Erben der Sieger überreichen den Nachfahren der Invasoren Blumen am Tag ihres Sieges. Wir sehen uns um. Wahrhaftig, das ist spontan, kein Befehl wurde ihnen erteilt! 

Ach, wenn wir doch nur eine Spur dieser Großherzigkeit hätten, die auch darin zum kommt, dass im Gedenkkomplex des mit Blut getränkten Mamajew-Hügels ständig die „Träumerei“ des deutschen Komponisten Robert Schumann zu hören ist. Auch zu einer Zeit, da in Berlin (und Kiew) russische Lieder und Fahnen verboten sind und sogar das Titelblatt der „jungenWelt“ mit dem historischen Foto, auf dem zwei Rotarmisten auf dem Berliner Reichstag die Rote Fahne befestigen, verboten ist und konfisziert wird.

Wir schlendern eine Straße entlang, da kommt uns ein etwa 12jähriger Dreikäsehoch entgegen und bleibt vor uns stehen. Mit kindlich-ernstem Gesicht sagt er „Gutten Tak“ und geht weiter. Der Weg zu einem „Gutten Tak“ zwischen den Herzen und Hirnen, zwischen den einfachen Menschen, scheint weit zu sein. Wenn wir miteinander reden, wird er kürzer. An diesem Tag war es mit dem Herzen zu spüren. 

Einen „Guten Tag“ sagen uns auch zwei mitten im Leben stehende Frauen auf dem Weg zur mächtigen „Mutter Heimat“, die zur Verteidigung Stalingrads aufruft und das bekannteste Denkmal auf dem Mamajew-Kurgan und überall im Lande das Symbol des Verteidigungswillens gegen die deutschen Invasoren ist. Die Damen freuten sich, auf Deutsche zu treffen, das sei für sie überhaupt ungewöhnlich, denn in ihrer sibirischen Heimatstadt Tschita kommt es nicht so häufig vor. Immerhin mussten sie rund sieben tausend Kilometer aus ihrer Stadt, die dreihunderttausend Einwohner zählt, zurücklegen, um zu den Feiertagen in der Heldenstadt zu sein.

Festlich-würdevoll und dicht gedrängt geht es in der Krypta des Denkmals zu. Die heutigen Grundgeräusche verdecken zeitweise die an diesem Ort in Dauerschleife zu hörende „Träumerei“ von Robert Schumann, den deutschen Komponisten, die den Gedenkort einer der blutigsten Schlachte des größten Völkermordens in der menschlichen Geschichte erfüllt.

Wir legen unsere Blumen nieder. In der Nähe begegnen uns Männer, die ein überlebensgroßes Porträt Stalins hinstellen und dann wieder weiter durchs Gelände des mit Soldatenblut getränkten Hügels tragen. Woanders haben sich welche mit einer gelb-schwarzen Fahne und den Bildnissen orthodoxer Heiliger am Rande postiert. Die seltenen Milizionäre („Polizisten“, so steht es auch auf ihren Uniformen) beschauen sich die fromme Mischung und gehen weiter.

Der Besuch des Mamajew-Hügels und des Panorama-Museums „Die Stalingrader Schlacht“ sind obligatorisch für diejenigen, die der Stadt, dem Land und ihrer Geschichte ihre Ehrerbietung bezeugen wollen. Eine detailgetreue Beschreibung beider Stätten ist in dieser Form ohnehin nicht möglich. Aber der Rat, sie zu besuchen, ist obligatorisch. Dieser Besuch wird jedem erstmaligen Gast, und auch Dir, unser stummer Begleiter, nur einen Überblick über den reichen Inhalt geben können, und wird er im Wiederholungsfalle den Wunsch erwecken, dieses oder jenes Kapitel der „Schlacht“ (ist das nicht ein furchtbares Wort für die „Tätigkeit“ von den angeblich höchst entwickelten Lebewesen auf dieser Erde?) genauer zu betrachten.

Die Stufen bringen Dich schließlich auf das oberste Stockwerk, einem Rondell, das als Panoramainszenierung Details dieser Grausamkeiten wirkungsvoll darstellt.

Dein Blick geht über die Wolga und lässt dahinter die riesigen Steppen erahnen, die Wolgograd umgeben, so wie Du es schon beim Anflug erstaunen durftest.

Bei aller Geschichtsträchtigkeit: Schon im Untergeschoss des Museums zogen verführerische Düfte in Richtung eines Restaurants, wir aber – nein das stimmt nicht – unsere fürsorglichen Gastgeber verführten uns in ein Culinarium mit dem Namen „Fleisch und Fisch“. 

Die alten Deutschen erzogen ihre Nachkommenschaft mit dem erzieherischen Merkspruch „Beim Essen spricht man nicht“.  Na gut. Aber einer darf noch zu Worte kommen: 

Uns vereint gleicher Sinn, gleicher Mut,

wo auch immer wir wohnen,

unser Glück auf dem Frieden beruht

Gleicher Sinn, gleicher Mut? Das Lied zu den Prager Weltfestspielen der Jugend und Studenten aus dem Jahr 1947 klingt in unsere Zeit herüber. Braucht man etwa mehr Mut, unser Glück, das aus dem Frieden beruht, heutzutage zu verteidigen? Mindestens nicht weniger, wenn „Kriegstüchtigkeit“ als Perspektive für die unmittelbare Zukunft verordnet wird. Da gerät das Wort Frieden in der herrschenden Gesellschaft bereits in die Grauzone, in die auch die „Versteher“ anderer Ansichten unter ein Verdikt geraten, das nach Beobachtung heischt.

Aber nicht hier, bei unseren Gastgebern, der Wolgograder Abteilung des internationalen „Russländischen Friedensfonds“ mit Verbindungen in alle Welt. Deren Präsident, Juri Fedorowitsch Starowatych, ist nicht nur Ehrenbürger seiner Stadt, sondern auch des leidgeprüften Hiroshima. Beide Städte sind auf ihre Art „atomisiert“ worden und darin verbunden, dass sie sich für Friedenstüchtigkeit in dieser Welt einsetzen.

In den Stunden unseres Gesprächs wurde deutlich, dass dort, in der Krasnosnamenskaja uliza, die dem Frieden dienende Politik der Bundesrepublik Deutschland kritisch beurteilt wird und Äußerungen, man „führe einen Krieg gegen Russland, oder man müsse „Russland ruinieren“, aus dem Munde der ersten Politikerin, die eine „feministische Außenpolitik“ in einem Lande kreiert, das der Europäischen Union und damit als Trägerin des Friedensnobelpreises angehört, besonders in seiner Stadt Empörung auslöst, die eine Kriegsführung gegen Russland unter riesigen Opfern überlebt hat und mit deren Namen die „Ruinierung“ der 6. Armee verbunden ist. Aber dazu benötigte man Geschichtskenntnisse…

Natürlich klangen im Friedensfonds auch aktuelle Ereignisse an und es war in den sparsamen Äußerungen unserer Gastgebern zu spüren, dass sie diesen Konflikt, der ja auch in geografischer Nähe ihrer Stadt eine Rolle spielt, mit großer Traurigkeit wahrnehmen. Hetze gegen den Gegner findet aber weder in diesen Räumen noch in der Öffentlichkeit statt. Deutschland ist dreitausend Kilometer nicht nur geografisch entfernt.

Der da und dort anzutreffende Anblick von Kriegsversehrten in der Stadt gibt allerdings der leichten Zunge einen Dämpfer. 

Unsre Herzen erglühen,

und den Schwur wiederholt jeder Mund:

Rastlos woll’n wir uns mühen,

dass kein Feind mehr zerschlägt unsren Bund

Unsere Rückreise in eine in Deutschland aufgeheizte Atmosphäre der fast schon irrealen Kriegshysterie war bei allen Zweifeln, ob uns und der Welt die Leiden des Krieges erspart bleiben werden, ein Impuls, eben dafür einzutreten.

w.k.

Wenn nicht Friede wird auf Erden, was soll aus uns allen werden?

 

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